Die Pulverfabrik Liebenau
Die Pulverfabrik Liebenau entstand ab Sommer 1939 unter dem Tarnnamen "Anlage Karl", u.a. mit folgenden Anlagen:
- Für die Pulverproduktion wurden im Werk Liebenau insgesamt knapp 400 Gebäude errichtet: Im Bereich der Kraftwerke und Nitroglycerinanlagen gab es 21 unterirdische Bauten. Insgesamt waren es 250 aufstehende und 104 umwallte Gebäude. Die Werksbauten lagen aus Sicherheitsgründen weit auseinander. Die flachen Betondächer wurden zur Tarnung gegen Fliegersicht mit einer Erdschicht bedeckt und mit Nadelbäumen bepflanzt.
- Zwei große Kraftwerke, die das Werk in seiner Wasser -, Strom- und Dampfversorgung von Fremdlieferung unabhängig machten, und ein drittes kleineres Kraftwerk zur Reserve.
- 200 Kilometer Kabelleitungen für Licht und Strom.
- Der große "Kohlebunker" (Kohlelagerort) mit einem Fassungsvermögen von 30.000 Tonnen.
- 70 Brunnen im Auetal, aus denen zwei Pumpwerke mit eigener Filteranlage stündlich 2000 bis 2500 cbm Wasser in alle Werkteile förderten. Der Wasserverbrauch des Werkes übertraf laut Zeitzeugenaussagen den der Stadt Bremen.
- Einzelhausklärgruben und ein Mischwasserkanal, der die Abwässer und Schmutzwässer nach Vorklärung in den Winterbach leitete sowie ein Kanalsystem, mit dem die sauren Abwässer und wenig verunreinigte Abwässer in die Weser geleitet wurden.
- 84 Kilometer Betonstraßen.
- 42 Kilometer Eisenbahnschienen, die das Werk mit dem Liebenauer Bahnhof und dem Weserhafen mit seinen dreh- und fahrbaren Ladekränen verbanden.
- Für die werksinternen Transporte standen je zwei Dampf- und Dieselloks, zwei feuerlose Pressdampfloks sowie 80 Elektrokarren zur Verfügung.
Während des Zweiten Weltkriegs verschleppten die Nationalsozialisten insgesamt rund 13 Millionen Menschen aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten in das Deutsche Reich, um sie für die deutsche Wirtschaft arbeiten zu lassen. Dabei setzten die deutschen Behörden in den besetzten Gebieten zunehmend drastische Methoden der Verschleppung ein.
In der Pulverfabrik Liebenau hingen ihre Lebensumstände vor allem von ihrer Herkunft ab: Je tiefer sie in der NS-Rassenhierarchie angesiedelt waren, desto schlechter wurden sie behandelt.
Unter Rückgriff auf über 20.000 Zwangsarbeiter/innen aus West- und Osteuropa wurden in Liebenau circa 40.000 t Pulver für den Krieg hergestellt. 2.000 Jugendliche, Frauen und Männer kamen dabei zu Tode.