Das "Arbeitserziehungslager" Liebenau
Das im Sommer 1940 eingerichtete sog. "Polizei-Gewahrsamslager" der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Hannover an der Schlossstraße in Liebenau wurde später in "Arbeitserziehungslager" (AEL) Liebenau umbenannt. Es handelte sich um ein Holzbarackenlager mit Stacheldrahtumzäunung, in dem die Gestapo insgesamt circa 6.000 Männer aus dem gesamten norddeutschen Raum inhaftierte. Das Lager bestand bis zum 8. Mai 1943 - als die verbliebenen Häftlinge in das neue AEL Lahde (bei Minden) zum Bau eines Kraftwerkes und einer Staustufe verlegt wurden.
Heute befindet sich auf dem damaligen Gelände des AEL Liebenau die Gedenk- und Bildungsstätte Liebenau.
Die Staatsanwaltschaft Verden stellte zu Beginn der 1960er Jahre im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens fest: "Das Lager in Liebenau (...) wurde deshalb eingerichtet, damit der Rüstungsfirma Eibia - Wolff & Co. - (billige) Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden konnten." Im Vorfeld der Einrichtung des Lagers hatte die Firma Wolff & Co. ein Hilfegesuch an die Gestapo wegen massiver Probleme bei der Errichtung der Pulverfabrik Liebenau gerichtet. In der Fabrik mussten zu diesem Zeitpunkt 800 Polen und 500 Slowaken unter völlig unzureichenden Bedingungen arbeiten. So fehlte es in der fortgeschrittenen Jahreszeit vor allem an der notwendigen Kleidung. Die vernachlässigten Arbeitskräfte hatten mit Protesten, Petitionen und Arbeitsverweigerungen reagiert, worauf es zu ersten KZ-Einweisungen oder Polizeihaft kam. Vor allem gegenüber den polnischen Arbeitern forderte die "Montan GmbH" - als Gesellschaft des Heereswaffenamtes, in deren Auftrag Wolff & Co. baute - harte Maßnahmen und ihre Inhaftierung unter Polizeibewachung durch Umzäunung ihres damaligen Wohnlagers. Der genaue Zeitpunkt der Einrichtung des Lagers sowie der zeitliche Übergang vom sog. "Polizei-Gewahrsamslager" zum späteren "Arbeitserziehungslager" sind nicht exakt bestimmbar.
Neben der Ausbeutung der Arbeitskraft diente das Lager v.a. zur "Abschreckung", Einschüchterung und Disziplinierung der Arbeitskräfte in der Pulverfabrik selbst und den kleineren und größeren Betrieben der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft.
In Liebenau kam es zu Inhaftierungen deutscher Männer wegen sog. "Rassenschande", des "Hörens von Feindsendern" oder von politischen Gegnern der Nationalsozialisten aus den Gestapo-Bezirken Hannover und Hildesheim. Das Lager entwickelte sich mit zunehmender Dauer aber vor allem zum Repressionsmittel gegenüber den polnischen und sowjetischen Zwangsarbeitern aus dem norddeutschen Raum. In enger Zusammenarbeit zwischen Wolff & Co. und der Gestapo - vertreten durch den Betriebsingenieur der Firma und Nienburgs Gestapoleiter R. - war eine Liste der Delikte erstellt worden, die mit der Haft im AEL geahndet werden sollten: absichtliches langsames oder fehlerhaftes Arbeiten, Unpünktlichkeit, Fernbleiben, Vortäuschen einer Erkrankung oder Selbstverletzung, Ungehorsam gegen betriebliche Vorgesetzte, „Miesmacherei“, Aufforderung zum Streik o.ä.. Zu den Lebensbedingungen im Lager stellte die Staatsanwaltschaft Verden im Jahr 1962 fest: "Die allgemeinen Lagerverhältnisse entsprachen im wesentlichen denen eines Konzentrationslagers. Die Häftlinge mußten bei schlechter Verpflegung schwer arbeiten und wurden häufig mißhandelt. Die ärztliche Versorgung war mangelhaft. Infolge dieser Verhältnisse starb eine große Zahl von Häftlingen."